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Die Handsteuerbox der Seben EQ EM-10 Montierung

Worum geht es

Da meine Seben EQ EM-10 Montierung seit einigen Wochen im Nachführbetrieb anstelle der normalen siderischen Nachführgeschwindigkeit dauerhaft mit der eingestellten Korrekturgeschwindigkeit nachführt, musste ich ein wenig mit der Ansteuerelektronik auseinandersetzen, um den Fehler (evtl.) beheben zu können. Ein Festklemmen der Richtungstasten kann ich ausschließen, da die Richtungs-LEDs nicht leuchten. Erst beim Betätigen leuchten diese LEDs auf. Auch die Reaktion auf ein Drücken der Tasten ist normal, die Montierung kann komplett über die Tasten gefahren werden.

Mit der Montierung bin ich nach wie vor vollauf glücklich, da diese genau das macht, wofür diese Montierung vor 9 Jahren gekauft wurde. Mein Ziel war es, eine Montierung zu bekommen, die meinen 6" f/5 Newton tragen kann und nachführt. Die Nachführung war mir damals (und auch heute) wichtig, damit ich nicht immer schubsen muss. Man kann mal 5 Minten zwischendurch entspannen und dann wieder einen Blick durch das Teleskop riskieren, ohne dass das Objekt verschwunden ist. Auch das längere Durchschauen bei höherer Vergrößerung ist ohne ein Schubsen möglich. Zu der damaligen Zeit wollte ich auch nicht unbedingt viel Geld in die Montierung stecken, weswegen ich die Anforderungen auf das Mindestmaß (Tragen eines 6" f/5 und Nachführung) beschränkt hatte. Fotografisch tauglich, Nachführfehler, GoTo etc. wären optimal gewesen, sind aber nicht in dem finanziellen Rahmen möglich.

Grundlegendes zur Nachführung

Die Bestückung der Handsteuerbox Zur eingentlichen Nachführung der Seben EQ EM-10 Montierung gibt es einige grundsätzliche Aspekte zu erwähnen. Zum einen ist die entsprechende Ansteuerlektronik komplett in der Handsteuerbox samt Batterien integriert. Keine weiteren Komponenten sind vorhanden und können auch nicht extern angeschlossen werden. Es handelt sich also um ein komplett abgeschlossenen System. Zum anderen kann die Nachführgeschwindigkeit nicht verändert werden. Es wird immer mit der siderischen Geschwindigkeit, also mit der Geschwindigkeit der Sterne, nachgeführt. Eingestellt werden kann über Drucktasten die Nord-/Süd-Nachführung, je nachdem, wo auf der Erde man sich befindet (in meinem fall nur Nord, auf die Südhalbkugel zieht es mich - zumindest mit der Montierung - noch nicht).

Die Motoren

Die Nachführmotoren selbst sind einfache DC Motoren mit Untersetzung, keine Schrittmotoren. Bei DC Motoren (also einfachen Gleichstrommotoren) wird durch Anlegen einer Spannung eine Rotation erzeugt. Ein entsprechender Stromfluss stellt sich ein und die Motoren drehen gleichmäßig rund.

Der RA Motor der Seben EQ EM-10 Montierung In meiner Montierung sind Motoren vom Typ WRF-500TB-14415 verbaut. Diese Gleichstommotoren haben (lt. Datenblatt aus dem Internet) eine Nominalspannung von 6V und eine Leerlaufdrehzahl von 3700 U/min bei einer Stromaufnahme von 28mA. Bei max. Effizienz verringert sich die Drehzahl auf 3000 U/min bei einer Stromaufnahme von 130mA mit einer Leistung von 0,43 W. Das Drehmoment bei diesem Betrieb liegt bei 1,37 milli-Nm. Beim Blockieren des Motors erhäht sich der Strom auf 570mA und das Drehmoment geht auf 7,25 milli-Nm hoch.

Die Motoren haben eine Untersetzung von rechnerisch ...

Leider hab ich nix hierzu finden können. Anhand des Aufdrucks auf den Getrieben bin ich auch nicht fündig geworden. Also dachte ich, ich kann die Untersetzung grob selbst ermittelt (ohne die Motoren mit Getriebe abschrauben und an den Zahnrädern nachzählen zu müssen).

Hierzu hab ich eine komplette Umdrehung (360°) der DEC-Achse mit 144 Umdrehungen mit dem Handrad ermittelt. Da m.W. beide Achsen gleich aufgebaut sind, gehe ich auch davon aus, dass die RA-Achse sich genauso verhält. Eine Umdrehung des Zahnrades am Ausgang des Getriebes dauert bei 16-fach Nachführgeschwindigkeit 55,9 sec.

Ein mittlerer Sterntag dauert 86.164,091 Sekunden3, in der Zeit muss sich die RA-Achse einmal um 360° drehen. Das Zahnrad muss sich also in der Zeit 144x drehen. Daraus ergibt sich die Zeit von 598,36 Sekunden oder 9,97 Minuten für eine Umdrehung des Zahnrades. Bei einer gegebenen Untersetzung von n:1 heißt das, dass sich der Motor mit m U/min drehen muss, damit eine korrekte, siderische Nachführung entsteht.

Die Elektronik

Da die Nachführung ja im Moment viel zu schnell läuft, muss ich mich wohl oder übel mit der Elektronik der Montierung auseinandersetzen. Da es DC Motoren sind, muss die Nachführgeschwindigkeit ja irgendwie geregelt werden. Und genau dies wird mit einem Controller, wie er für Kassettenlaufwerke (so was gab es früher mal) benutzt wird, realisiert (hab ich so im Internet gelesen). Also hab ich den Handcontroller mal aufgeschraubt und in die Innereien reingeschaut.

Die Bestückung der Handsteuerbox Nach erster Inspektion der Steuerplatine hab ich mir die Datenblätter der verwendeten, identifizierbaren aktiven Komponenten herausgesucht. Der verwendete Motorcontroller ist ein TDA7272, je ein Controller für RA und DEC ist verbaut. Der Controller ist in der Tat für Kleinleistungs-DC-Motoren für Kassettenrecorder entworfen worden. Der Controller ermittelt anhand von Stromrippel, die durch die (ungerade Anzahl von) Bürsten des DC-Motors bei einer Umdrehung entstehen, die Drehzahl und kann diese so regeln. Ein zusätzlicher Tachogenerator oder Drehgeber ist nicht notwendig, was den Gesamtaufbau deutlich vereinfacht. In einem zweiten, im Controller eingebauten Regelkreis wird der mittlere Strom für die Umdrehung ermittelt und konstant geregelt.

Die Bestückung der Handsteuerbox Im Internet hab ich mich nach noch weiterem evtl. vorhandenem Material über die Handsteuerbox (und die Montierung) umgeschaut. Hierbei ist mir neben Sven Wienstein's Summary1 auch auf astronomie.de der Beitrag Mein Leben mit Seben2 unter die Nägel gekommen. Man sieht hier die Elektronik...nur meine sieht anders aus. In dem Link sind teilweise SMD Bausteine verwendet, meine Montierung ist komplett mit DIL/THT Bausteinen aufgebaut. Wahrscheinlich habe ich eine ältere Version der Handsteuerbox an meiner Montierung.

Die Motoransteuerungsbausteine (TDA7272) sind die gleichen Bausteine wie bei mir, nur die Ansteuerlogik für die Richtungswahl ist bei mir mit DIL/THT Bausteinen aufgebaut. Da ja die Tastenbedienung bei meiner Handsteuerbox funktioniert, muss ich mir die Beschaltung meiner Handsteuerbox genauer anschauen um zu verstehen, weshalb bei mir immer mit der Korrekturgeschwindigkeit nachgeführt wird, ohne das eine Tasten-LED leuchtet. Auf eine direkte Hilfe im Internet kann ich nicht zurückgreifen, somals die Montierung seit einigen Jahren auch nicht mehr im Handel erhältlich ist.

Einzig beim Astroshop hab ich eine gebrauchte Handsteuerbox gefunden. Aber ich will meine Steuerung ja nicht austauschen, sondern zum ersten verstehen, wie diese konkret aufgebaut ist und zum zweiten mit dieser Erkenntnis meine Handsteuerbox dann reparieren. Falls nix mehr zu reparieren ist, kann ich mich ja immer noch um die gebrauchte Handsteuerbox bemühen...

Die DEC Steuerung

Da die Deklination im Normalbetrieb nicht angesteuert oder korrigiert wird, sollte diese Ansterung (samt Elektronik) auch einfach aufgebaut sein. Deshalb beginne ich mit meiner Schaltungsanalyse genau mit diesem Teil.

Die Deklinationssteuerung der Handsteuerbox Die Deklination wird über die zwei Tasten auf der Handsteuerbox bei Bedarf nachgegstellt. Das Tastenfeld hat auf der Steuerplatine zwei mäanderförmige Bereiche, jeweils eines für Up und Down. Das Feld selbst besteht aus Streifen, die ineinander verzahnt sind. Ein Teil der Streifen ist direkt an die Versorgungsspannung angeschlossen, das andere Teil der Streifen ist über einen 12 kOhm Pull-Down-Widerstand mit Masse verbunden.

Das jeweils mit Masse verbundene Element ist direkt mit dem R/L Steuereingang des DEC Motorcontroller (TDA7272, Pin 18 und Pin 19) verbunden. Bei Nichtbetätigen der Tasten (also der Normalzustand) sind beide Richtungseingänge des Motorcontrollers auf Masse gezogen, der DEC Motor ist dann in der STOP Ansteuerung und sollte sich nicht bewegen.

Die Ausgänge des Motorcontrollers für den Anschluss der Motoren (TDA7272, Pin 9 und Pin 12) sind über die markierten Leiterbahnen an den Rand der Platine gelegt. Die Motorkabel sind direkt an die Platine angelötet, ein Steckkontakt o.ä. ist nicht verwendet worden. Die rote Ader des Motorkabels ist DE-R und mit dem OUT-MOTOR (R) Anschluss (TDA7272, Pin 12) verbunden. Die gelbe Ader des Motorkabels ist DE-L und mit dem OUT-MOTOR (L) Anschluss (TDA7272, Pin 9) verbunden.

Die Richtungsvorwahl

Die Richtungsvorwahl der Handsteuerbox Beim Einschalten der Steuerung über den Schiebeschalter ist keine Richtungsvoreinstellung vorhanden. Erst nach Betätigen einer der beiden Tasten N und S wird die Nachführung für die Nord- und Südhalbkugel aktiviert. Genau diese Vorauswahl möchte ich mir als nächstes in der Schaltung anschauen, da diese Vorauswahl eine erste Ansteuerungskomponente meines nicht mehr funktionsfähigen Handsteuerbox, besser gesagt der RA-Nachführgeschwindigkeit darstellt (die Richtungsauswahl funktioniert allerdings bei meiner Handsteuerbox).

Grob erkennen kann ich, dass die Richtungsvorwahltasten in Richtung des Baustein TC4013BP gehen. Dieser Baustein beinhaltet zwei D-Type Flip-Flops, also einfache Speicherbausteine für zwei mal ein Bit. Eine genauere Beschreibung dieses Flip-Flop-Typs spare ich mir hier mal, die Pinbelegung sowie das Blockschaltbild und die Logiktabelle sind aufgeführt.

Die Analyse des Schaltungsteils hat mich dann fast zur Verzweiflung geführt. Der einfache Ansatz mit zwei Flip-Flops für zwei Richtungen ist hier nicht ganz umgesetzt...in der Schaltplanrekonstruktion sieht man (die hoffentlich richtige) Verschaltung der Flip-Flops.

Die Pinbelegung und das Blocksachaltbild des Baustein TP4013BP Die Logiktabelle des Baustein TP4013BP Fangen wir mal mit der Südnachführung an. Drückt man die entsprechende Taste (SW-SUED) an der Handsteuerbox, so geht dieses Signal auf die beiden S-Eingänge der zwei Flip-Flops (IC1A, Pin 6 und IC1B, Pin 8). Beide Flip-Flops werden also direkt am Q-Ausgang auf 1 gesetzt (IC1A, Pin 1 und IC1B, Pin 13). Das sieht erst einmal merkwürdig aus, da beide Flip-Flops am Q-Ausgang beim Betätigen der Südnachführrichtung eine 1 haben. Schaut man dann aber im Schaltplan weiter, so sieht man, dass das A-Flipflop am Q-Ausgang die Südnachführung anzeigt und das B-Flip-Flop am /Q-Ausgang die Nordnachführung anzeigt. Der Trick hierbei ist, dass die Nordnachführung am invertierten Ausgang /Q angezeigt wird.

Die logische Ansteuerung der Nordnachführung sieht im Schaltplan ganz anders aus. Hierbei wird beim Drücken der entsprechenden Taste (SW-NORD) an der Handsteuerbox eine positive Flanke an den beiden CLK-Eingängen der Flip-Flops erzeugt (IC1A, Pin 3 und IC1B, Pin 11). Da die beiden D-Eingänge der Flip-Flops auf 0 liegen (IC1A, Pin 5 und IC1B, Pin 9), werden beide Flip-Flops zurückgesetzt. Durch das Zurücksetzen werden die jeweiligen invertierten /Q-Ausgänge gesetzt (IC1A, Pin 2 und IC1B, Pin 12). Somit ist die Nordnachführung durch den gesetzten /Q-Ausgang am B-Flip-Flop aktiv. Die Südnachführung am Q-Ausgang des A-Flip-Flop ist zurückgesetzt.

Die entsprechenden grünen LEDs (LED2G und LED3G) zur Anzeige der Nachführrichtung hängen direkt mit einem 2,7 kOhm Vorwiderstand an dem entsprechenden Ausgang des jeweiligen Flip-Flop (IC1A, Pin 1 und IC1B, Pin 12).

Noch was...beim Einschalten wird das A-Flip-Flop über seinen R-Eingang (IC1A, Pin 4) über eine RC-Beschaltung definiert zurückgesetzt. Die Südnachführung ist somit deaktiviert. Beim B-Flip-Flop erfolgt die Deaktivierung der Nordnachführung über ein definiertes Setzen. Dies geschieht in gleicher weise über eine RC-Beschaltung.

Die Vorwahl der Nachführrichtung ist somit geklärt.

Die Einstellung der Nachführgeschwindigkeit

Pla

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Pla

Die Korrektur der Nachführung

Bei nicht perfekt aufgestellter Montierung ist es natürlich notwendig, dass die Position der Montierung/Nachführung korrigiert wird. Dies erfolgt in RA- und DEC-Richtung über die vier rautenförmig angeordneten Korrekturtaster.

Schaltplan

Aus den ganzen Anlaysen hab ich versucht, einen Schaltplan zu rekonstruieren. Eine Gewähr hierzu möchte ich natürlich keine drauf geben.

Der Schaltplan der Handsteuerbox

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Weiterführende Links

1Sven Wienstein's Summary
2Mein Leben mit Seben, Teil 1: EQ EM10
4Seben EQ EM10
5Erfahrungsbericht Seben EQ EM10
6Seben EQ EM-10
7Schneckenfehler bei Seben EQ EM-10
8GSO SkyView oder Seben EM10

3Wikipedia - Sterntag

Literatur

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Sonstiges

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Stand: 30. Juli 2017