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Grenzgröße und Himmelsqualität

Um was geht es

Immer wieder erlebt man Amateurastronomen im Öffnungsfieber. Öffnung kann nur durch noch mehr Öffnung ersetzt werden, ein häufiger Spruch. Doch was bewirkt das Mehr an Öffnung und welchen Einfluss hat dabei der Himmel, unter dem man beobachtet?

Grundsätzlich geht es darum, was man mit welchem Teleskop, besser mit welcher Teleskopöffnung unter welchem Himmel an Objekten in Reichweite hat, also welche Grenzgröße man erreicht.

Los gehts...

Um der ganze Diskussion über Öffnung und Himmelsqualität auch mal mit Zahlen unter die Arme zu greifen, hab ich da ein wenig nachgeforscht. Dabei bin ich über eine Formel gestoßen, die der Sachlage dienlich ist:

ML = Meye - 2 + 2.5 * Log10(√((D * D) - (d * d)) * M * T)

ML: Grenzgröße Teleskop
Meye: Grenzgröße unbewaffnetes Auge
D: Hauptspiegeldurchmesser
d: Fangspiegeldurchmesser
M: Vergrößerung Teleskop/Okular
T: Transmission Gesamtsystem

Diese Formel beschreibt, welche Grenzgröße ML bei gegebener Himmelsqualität Meye (fst-Grenzgröße) und gegebenen Teleskop-Parametern Durchmesser des Hauptspiegel D und Durchmesser des Fangspiegel d sowie optischen Parametern Vergrößerung M und Transmission T errreicht wird. Die Formel selbst wurde aus einer großen Menge von Vergleichsmessungen heraus als gute Näherung bestimmt.

Anmerkung: Die folgenden Ausführungen sind erst mal auf ein Newton bezogen, lassen sich aber auch auf andere Teleskop-Bauarten übertragen.

Die fst-Grenzgröße des Himmels Meye kann man mit unbewaffnetem Auge z.B. über die Polsequenz bestimmen. Dabei geht es ja nur darum, den schwächsten, noch erkennbaren, Stern zu ermitteln und seine Helligkeit als Referenz heranzuziehen. Also einfach gesagt, wenn man mit bloßem Auge einen Stern mit m=6,3mag sieht, dann hat man eine Himmelsqualität von Meye=6,3mag.

Die Teleskop-Parameter sind ja klar, jeder kennt sein eigenes Gerät. Zur Bestimmung des der erreichbaren Grenzgröße mit o.g. Formel benötigt man den Durchmesser des Hauptspiegels D und den Durchmesser des Fangspiegels d vom Teleskop.

Die optischen Parameter, die in der Formel benutzt werden, müssen erst mal bestimmt werden. Zum einen die Vergrößerung M, die aus Brennweite F des Teleskops geteilt durch die Brennweite des verwendeten Okulars Feyepiece berechnet wird.

M = F / Feyepiece

M: Vergrößerung
F: Brennweite des Teleskop
Feyepiece: Brennweite des Okular

Für die Transmission T des Gesamtsystems (angegeben in %) kommen mehrere Faktoren zusammen, die multiplikativ zusammengeführt werden. Sowohl der Haupt-, als auch der Fangspiegel haben eine Verspiegelung, die ja nicht das ganze Licht zurückwerfen. Hierbei ist mit Verlusten zu rechnen, die die Menge an Licht angeben, die von diesen verlustfrei gespiegelt werden. Diese Werte sind i.d.R. bei den Teleskopunterlagen zu finden:

RT = RHS * RFS

RT: Reflektivität des Teleskops (in %)
RHS: Reflektivität des Hauptspiegels (in %)
RFS: Reflektivität des Fangspiegels (in %)

Weiterhin geht das Licht durch das Okular. Okulare bestehen aus mehreren Glaslinsen und jede dieser Linsen hat den schönen Effekt, das etwas von dem Licht, was hindurchgeht, verlustig geht. Also auch hier, es kommt nicht alles List hinter dem Okular raus, was vorne reingeht. Man beachte, das hier pro verbauter Linse im Okular einen Abstrich gemacht werden muss, der in die Gesamt-Transmission des Okulars multiplikativ eingeht:

TOkular = TL1 * TL2 * TL3 * ...

TOkular: Transmission des Okulars (in %)
TL1: Transmission Linse 1 (in %)
TL2: Transmission Linse 2 (in %)
TL3: Transmission Linse 3 (in %)
...

Zusammengefasst ergibt sich also für die Transmission T:

T = RT * TOkular

T: Transmission Gesamtsystem
RT: Reflektivität des Teleskops (in %)
TOkular: Transmission des Okulars (in %)

Jetzt hat man alle Werte zusammen und man kann nun die Grenzgröße bestimmen.

Dann mal weiter...

In dem Diagramm rechts hab ich mal die Grenzgröße für verschiedene Teleskop-Öffnungen in Abhängigkeit von der Himmelsqualität eingezeichnet.

Die Teleskop-Öffnung ist im Diagramm eingezeichnet, alle Werte beziehen sich auf ein f/5 Öffnungsverhältnis. Als Fangspiegeldurchmesser hab ich 28% vom Hauptspielgeldurchmesser angesetzt. Als Okular hab ich mit 7mm Brennweite gerechnet. Die Transmission des Gesamtsystems hab ich mit 0,87 angesetzt, also 87%. Die Vergrößerung ist, bei festem Okular, ja von der Brennweite des Teleskops abhängig, die wiederum mit dem Durchmesser des Hauptspiegels wächst, da ja alle Teleskope mit einem Öffnungsverhältnis von f/5 gerechnet wurden.

Was sieht man nun in dem Diagramm? Fangen wir mal langsam an. Zuerst fällt auf, das alle Linien parallel sind. Weiterhin haben alle Linien eine (kleine) Steigung. Die Linien rücken nach oben hin immer enger zusammen.

Was bedeutet das nun? Auf der X-Achse ist die visuelle Grenzgröße Meye, auf der Y-Achse ist die Grenzgröße des Teleskop ML aufgetragen. Jede einzelne Linie stellt ein Teleskop mit einer bestimmten Öffnung D dar. Man kann nun für seine Teleskopöffnung die entsprechende (farbige) Linie raussuchen und anhand der visuellen Grenzgröße seinen Spechtelplatzes über die (untere) X-Achse den Schnittpunkt mit der Teleskoplinie raussuchen und (links) auf der Y-Achse die erreichbare Grenzgröße bestimmen. Nun nagelt mich nicht an den Zahlen fest, die ganzen Parameter sind von Teleskop zu Teleskop, von Okular zu Okular, von Beobachter zu Beobachter unterschiedlich. Um genaue Daten für sich selbst zu bekommen, sollte das ganze individuell nochmal durchgerechnet werden. Grob sollten aber ähnliche Werte herauskommen.

Mal etwas genauer hingeschaut...

Picken wir und mal das ein oder andere Teleskop heraus und schauen uns die Daten mal genauer an.

Fangen wir mit einem weit verbreiteten Teleskop an, dem 8-Zöller. Die erreichbare Grenzgröße reicht - laut Diagramm - von 13,3mag bis 15,7mag, das ist eine Differenz von 2,4mag. Die dazugehörige Himmelsqualität im Diagramm reicht von 4,4mag bis 6,8mag. Moment, das sind auch 2,4mag Differenz.

Klar, die Himmelsqualität geht ja in die o.g. Formel als einfache Addition ein, also jede zehntel Magnitude an visueller Grenzgröße spiegelt sich direkt als gleichen Zuwachs in der Grenzgröße durchs Teleskop wieder. Ander gesagt: Die Steigung aller Geraden ist 1. Da alle Geraden parallel sind, gilt dies auch für alle Teleskope. Der Zuwachs an Himmelsqualität schlägt sich 1:1 in einen Grenzgrößenzuwachs durch.

Schaut man sich die einzelnen Linien untereinander an, so haben wir ja gesehen, das die oben immer dichter zusammen liegen. Die dazugehörige Öffnung steigt ja pro Schritt immer um 2 Zoll.

Die Lichtsammlung hängt von der Fläche der Öffnung ab, die quadratisch von dem Durchmesser abhängt. Die eingezeichneten Teleskope sind mit linear steigendem Durchmesser eingetragen. Daher muss ja, durch den quadratischen Zusammenhang, der Zuwachs an Lichtsammlung und damit der Magnitudengewinn, immer geringer pro linearem Schritt ausfallen. Der Zugewinn von 14" auf 16" beträgt 0,29mag, von 16" auf 18" sind's 0,25mag und von 18" auf 20" nur noch 0,23mag. Wer dann mal bei 16-Zoll angelangt ist, der wird sich (warscheinlich) von 18-Zoll oder 20-Zoll nicht so schnell hinter dem Ofen herauslocken lassen.

Nehmen wir zum Schluss mal das kleinste Teleskop, ein 6-Zöller (so eins hab ich ja). Die Grenzgröße reicht von 12,7mag unter bescheidenem Himmel bis 15,1mag unter optimalem Himmel. Jetzt bin ich mal übermütig und ziehe ein 18-Zöller als Vergleichsgerät heran. Die Lichtsammelleistung des großen 18-Zöllers ist genau 9-mal so hoch wie die meines Gerätes. Das entspeicht etwa 2,4mag. Huch, schon wieder diese Zahl.

Wenn also ein (ich gebe zu verrückter) 18-Zoll Teleskopbesitzer aus der Stadt heraus beobachtet, dann hat er die selbe Grenzgröße zu erwarten wie ich, wenn ich mit meinem 6-Zöller unter einem sehr guten Himmel stehe. Na, da hab ich ja wieder einen Grund mehr in den Hunsrück zu fahren.

Fazit (oder so)

Was will ich mit dem ganzen Zeugs sagen? Eigentlich...nix. Das war doch nur eine kleine Formelspielerei. Vielleicht doch noch was: Wer ein Teleskop hat und plant, ein neues, größeres zu kaufen, sollte sich vor Augen führen, was er erwarten kann (und was nicht). Und noch was: Geht unter den bestmöglichen Himmel, den ihr findet. Das bringt mehr als die nächste oder übernächste Teleskopgröße.

Stand: 5. Mai 2009